Die Gruppe der Herpesviren bildet eine große und vielfältige Familie von Krankheitserregern, von denen mindestens sieben für den Menschen von Bedeutung sind. Herpesviren sind weit verbreitet und können zu verschiedenen Erkrankungen führen:
Lippenherpes (Herpes labialis) ist sicherlich die bekannteste Herpes-Variante.
Herpes im Gesicht kann auch auf dem gesamten Gesicht oder speziell auf Wangen, Nase und/oder Ohrläppchen erscheinen.[1]
Herpes im Auge betrifft in der Regel die Bindehaut oder Hornhaut, in manchen Fällen auch die mittlere Augenhaut (Uvea) und die Netzhaut (Retina) des Auges.[2]
Herpes an den Fingern entsteht meist durch ein Verschleppen von Herpesviren aus dem Mundraum oder aus dem Genitalbereich.[3]
Herpes im Genital- und Analbereich [4]
Herpes zoster am Oberkörper ist volkstümlich auch als Gürtelrose bekannt.[5]
Herpes im Körperinnern findet sich am häufigsten in der Mundhöhle, kann sich aber auch auf Rachen, Speiseröhre und Darm ausweiten[6] oder auch andere Organe erfassen.[7]
Zudem erfahren Sie im folgenden Text, welche Faktoren den Ort des Herpes-Ausbruchs beeinflussen und in welchen Fällen die Erkrankung von einer Körperregion zur anderen ‘wandern’ kann.
Am häufigsten tritt Herpes an den Lippen auf

Lippenherpes wird am häufigsten durch das Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ 1 ausgelöst, zunehmend aber auch durch HSV Typ 2.[8] Die Viren verbleiben nach der Erstinfektion im Körper und können durch Trigger bzw. Auslösefaktoren reaktiviert werden – bspw. fieberhafte Infekte, UV-Strahlung, Stress oder Menstruation.[9]
Ausbrüche kündigen sich oft dadurch an, dass die Haut um die Lippen unangenehm spannt.
Dann zeigen sich die frühen Symptome: Die Haut juckt, rötet sich und schwillt an, ggf. treten auch Schmerzen auf.
Schließlich folgen die Hauptsymptome – flüssigkeitsgefüllte Herpesbläschen, vor allem an der Begrenzung von Lippenrot und Gesichtshaut, die nach und nach aufplatzen, verkrusten und abheilen.[10]
Hier lesen Sie mehr: Arten von Herpes
Auch das Gesicht kann von Herpes betroffen sein

Herpes-simplex-Infektionen können sich auch über das Gesicht ausbreiten, was mit dem Fachbegriff Herpes facialis beschrieben wird. Sind auch die Ohrläppchen betroffen, spricht man von Herpes orofacialis.[11] Solche Herpes-Rezidive können neben der Hauptsymptomatik, die analog zum Lippenherpes ist, auch Kopfschmerzen, Fieber und lokale Lymphknotenschwellungen auslösen.[12]
Herpesbläschen an Wange und Nase
Wenn sich die Herpes-Symptome auf bestimmte Bereiche des Gesichts konzentrieren, spricht man von:
Herpes buccalis – Befall der Wangen
Herpes nasalis – Befall der Nase [13]
Neben der äußeren Herpesinfektion kann die Nase auch innen durch Herpes-simplex- oder Varizellen-Viren befallen werden, bspw. bei einer Infektion der Naseneingangshaut (nasale Vestibulitis).[14]
Vorsicht bei Herpes am Auge
Die Keratoconjunctivitis herpetica bezeichnet eine Herpesinfektion der Hornhaut (Cornea) und Bindehaut des Auges. Auslöser ist hier meist Herpes-simplex-Viren, seltener der Varizella-Zoster-Virus (Zoster ophthalmicus). Hier ist umgehend ärztliche Behandlung erforderlich.[15]
Typische Symptome bei Herpes am Auge sind:
Rötung, Fremdkörpergefühl und Schmerzen im Auge
Schwellung, ggf. auch Trübung der Hornhaut oder Bildung verästelter Läsionen[16]
ggf. auch Rötung und Schwellung der Augenlider inkl. Bläschenbildung[17]
Wann tritt Herpes an den Fingern auf?
Herpesinfektionen der Finger werden auch als Herpes digitalis bezeichnet.[18] Das Krankheitsbild erinnert oft an eine Nagelbettentzündung (Paronychie). Hier erfolgt die Ansteckung mit Herpes-simplex-Viren durch:
Bissverletzungen (insbesondere bei medizinischem Personal – sog. Inokulationsherpes)
Superinfektion von Verbrennungen oder Schürfwunden (insbesondere bei Ringkämpfern – sog. Herpes gladiatorum).[19]
Wann tritt Herpes im Genitalbereich auf?

Herpes genitalis wird meist durch das Herpes-simplex-Virus Typ 2 ausgelöst und durch Intimkontakte übertragen. Bei Oralverkehr kann auch das für Lippenherpes typische HSV Typ 1 in den Intimbereich übertragen werden.[20]
Die HSV-2-Erstinfektion bleibt oft unbemerkt, bei einem Drittel der Fälle können folgende Symptome auftreten:
Herpesbläschen auf den Geschlechtsorganen
allgemeines Krankheitsgefühl, vergrößerte Lymphknoten, Schmerzen und Fieber[21]
bei Frauen auch vaginaler Ausfluss sowie Schmerzen beim Urinieren[22]
Genitalherpes-Rezidive haben meist einen leichteren Verlauf und äußern sich hauptsächlich durch Herpesbläschen, die auch auf Gesäß und Oberschenkel übergreifen können.[23]
Herpes im Analbereich kann für die Betroffenen besonders unangenehm sein
Herpes analis bzw. Herpes perianalis kann sowohl durch Herpes-simplex-Viren als auch Varizella-Zoster-Viren ausgelöst werden. Typische Symptome sind:
brennende Schmerzen im Analbereich
Rötung und Bläschenbildung um den After
ggf. Geschwüre an der Schleimhaut des Rektums
schmerzhafter Stuhldrang, Druckgefühl und blutig-schleimiger Stuhl[24]
Bei einem Herpes zoster sind meist mehrere Körperstellen betroffen
Herpes zoster wird durch Varizella-Zoster-Viren ausgelöst. Die umgangssprachliche Bezeichnung ‘Gürtelrose’ verweist auf das typische Symptom: den gürtel- bzw. streifenförmigen Hautausschlag auf einer Seite des Oberkörpers.
Typischerweise zieht sich der Herpes-zoster-Ausschlag von der Brust zum Rücken, ist ausgesprochen schmerzhaft und mit entzündlichen Bläschen besetzt.
Seltener findet sich der Ausschlag beidseitig am Oberkörper, an Kopf, Hals und Gliedmaßen.
Begleitet wird der Ausschlag von allgemeinem Krankheitsgefühl und Fieber.
Mögliche Komplikationen bei Herpes zoster sind Infektionen des Auges und des Zentralnervensystems.[25]
Mehr zu diesem Krankheitsbild erfahren Sie hier: Arten von Herpes
Kann Herpes auch im Körper auftreten?
Herpesviren können nicht nur die Haut und die äußeren Schleimhäute befallen, sondern auch Infektionen im Körperinneren auslösen. Ein leichter Verlauf ist dabei nur für Herpes in der Mundhöhle typisch – Infektionen der inneren Organe, insbesondere des Gehirns können gefährlich sein.[26]
Herpes auf der Mundschleimhaut
Die Gingivostomatitis herpetica oder auch ‘Mundfäule’ entsteht als Folge einer HSV-1-Erstinfektion und tritt vor allem bei Kleinkindern auf. Zu den typischen Symptomen zählen:
Fieber, Abgeschlagenheit und Erbrechen
Rötung und Anschwellen von Mundschleimhaut und Zahnfleisch, ggf. auch Gaumen und Zunge
Bläschen und punktartige Geschwüre im Mund
Mundgeruch
Schluckbeschwerden[27]
Hier ist eine baldige Vorstellung beim (Kinder-)Arzt anzuraten.

Welche Faktoren beeinflussen den Ausbruch von Herpes an einer bestimmten Körperstelle?
Nach der Erstinfektion mit Herpesviren wandern diese entlang der sensiblen Hautnerven zu den zugehörigen Dorsalganglien, d. h. den im Hohlraum der Wirbelsäule gelegenen Nervenknoten:
bei Herpesinfektionen über den Mund, meist mit HSV Typ 1, wandern die Viren zum Trigeminusganglion, das sich im Schädelinneren, nahe der Schläfe befindet.
bei Herpesinfektionen im Genitalbereich, meist mit HSV Typ 2, wandern die Viren zu den Lumbal- und Sakralganglien, die auf Höhe der Lendenwirbel und des Kreuzbeins, also des unteren Rückens und Beckens liegen.
Bei einer Reaktivierung der Herpesviren wandern diese von den Ganglien aus über dieselben Nerven zurück zur Haut – daher erscheinen Rezidive häufig immer wieder an derselben Stelle, ob nun an der Lippe, am Finger oder im Genitalbereich (Rezidiv in loco).[28]
Kann der Herpes auch wandern und so mehrere Stellen befallen?
Neben den obig beschriebenen “ortstreuen” Herpes-Rezidiven kann es auch zur “Wanderung” des Herpes von einer Region zur anderen kommen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten:
Schmierinfektion durch das Weitertragen des infektiösen Sekrets nach dem Berühren der Herpesbläschen von einem Ort zum andern (Autoinokulation). Bekannt sind unter anderem Übertragungen:
von der Lippe zum Genitalbereich und umgekehrt.[29]
von der Lippe ins Auge (Keratoconjunctivitis herpetica, siehe oben).[30]
vom Mund an den Finger, bspw. bei Kindern mit Gingivostomatitis herpetica[31]
von der Lippe auf die Haut, insbesondere bei Neurodermitis-Patienten, bei denen die geschwächte Hautbarriere die Virenausbreitung und damit die Entstehung ausgedehnter Ekzeme (Eczema herpeticatum) begünstigt.[32]
Ausbreitung über die Ganglien: Herpesviren, die im Trigeminusganglion ruhen und dann reaktiviert werden, können entlang der verzweigten Nervenbahnen nicht nur zur Lippe, sondern auch ins Auge wandern.[33]
systemische Ausbreitung, insb. bei Menschen mit schwerer Immunschwäche, insbesondere die Ausbreitung von der Mundhöhle auf die Schleimhaut und Speiseröhre, die Infektion von Leber und Lunge (Herpes-Pneumonie) sowie von Gehirn und Hirnhaut (Herpes-Enzephalitis bzw. -Meningoenzephalitis, siehe oben).[34]
Quellen
[1] Carlos Thomas, H. Hagedorn, L. Kolesnikova, K. Salfelder und I. Weyers unter Mitarbeit von I. Grimm: Atlas der Infektionskrankheiten. Schattauer Verlag 2010, S. 248. – Gerd Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 110.
[2] Grehn: Augenheilkunde. Springer-Verlag 2019, S. 169-170.
[3] Gerd Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 107.
[4] Wolfram Sterry, Walter Burgdorf, Ralf Paus: Checkliste Dermatologie. Georg Thieme Verlag 2010, S. 48-49.
[5] Gerd Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 117-118.
[6] Wolfram Sterry, Walter Burgdorf, Ralf Paus: Checkliste Dermatologie. Georg Thieme Verlag 2010, S. 48-50.
[7] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 106-107.
[8] Marsh, Michael V. Martin: Orale Mikrobiologie. Georg Thieme Verlag 2003, S. 175.
[9] Hans W. Doerr, Wolfram H. Gerlich (Hg.): Medizinische Virologie: Grundlagen, Diagnostik, Prävention und Therapie viraler Erkrankungen. Georg Thieme Verlag, 2010, S. 660.
[10] Gerd Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 110.
[11] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 110.
[12] H. Hahn, D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer-Verlag 2001, S. 634.
[13] Carlos Thomas, H. Hagedorn, L. Kolesnikova, K. Salfelder und I. Weyers unter Mitarbeit von I. Grimm: Atlas der Infektionskrankheiten. Schattauer Verlag 2010, S. 248.
[14] Robert Gürkov: BASICS Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Elsevier Health Sciences 2019, S. 40.
[15] Grehn: Augenheilkunde. Springer-Verlag 2019, S. 169, 172.
[16] Grehn: Augenheilkunde. Springer-Verlag 2019, S. 169-172.
[17] Carlos Thomas: Atlas der Infektionskrankheiten. Schattauer Verlag 2010, S. 249.
[18] Peter Altmeyer, Klaus Hoffmann: Basiswissen Dermatologie. W3l GmbH 2006, S. 62.
[19] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 300.
[20] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie, Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 1096.
[21] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 107.
[22] Jörg Baltzer: Praxis der Gynäkologie und Geburtshilfe. Georg Thieme Verlag 2004, S. 621.
[23] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 110.
[24] Henning Rohde: Lehratlas der Proktologie. Georg Thieme Verlag 2007, S. 151.
[25] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut. Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S. 48-51.
[26] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 106-107.
[27] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 106.
[28] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 297-298. Zur Lage der Ganglien siehe Werner Kahle: Taschenatlas Anatomie, Band 3. Georg Thieme Verlag 2009, S. 48-49, 126-127, 296-297.
[29] Jonathan Zenilman, Mohsen Shahmanesh: Sexually Transmitted Infections. Diagnosis, Management, and Treatment. Jones & Bartlett Publishers 2012, S. 173 SOWIE John G. Beauman: Genital Herpes: A Review. In: American Family Physician (2005), 15;72(8), S. 1527-1534. www.aafp.org/afp/2005/1015/p1527.html.
[30] Stephen Kaye, Anshoo Choudhary: Herpes simplex keratitis. In: Progress in Retinal and Eye Research (2006), Vol. 25, Issue 4, S. 355-380. https://doi.org/10.1016/j.preteyeres.2006.05.001.
[31] Batsheva Marcus, Jasna Lipozenčić, Hagit Matz, Edith Orion, Ronni Wolf: Herpes simplex. Autoinoculation versus Dissemination. In: Acta Dermatovenerologica Croatica (2005), 13.4, S. 237-241. https://hrcak.srce.hr/file/131531.
[32] Plewig, Thomas Ruzicka, Roland Kaufmann, Michael Hertl: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer-Verlag 2018, S. 112.
[33] Hahn, D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer-Verlag 2001, S. 633 SOWIE Stephen Kaye, Anshoo Choudhary: Herpes simplex keratitis. In: Progress in Retinal and Eye Research (2006), Vol. 25, Issue 4, S. 355-380. https://doi.org/10.1016/j.preteyeres.2006.05.001.
[34] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 300-301.